Wearable: Armband als Frühwarnsystem bei Demenz

Wenn das Ich verschwindet. Laut Welt-Alzheimerbericht 2015 leiden allein in Deutschland 1,5 Millionen Menschen unter einer Demenzerkrankung. 46,8 Millionen sind es weltweit. Kann ein Wearable als Frühwarnsystem helfen?

Demenz
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©Alzheimer’s Disease International, www.alz.co.uk/

Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Krankheitsbilder. Gemeinsamer Nenner aller: der fortschreitenden Verlust bestimmter geistiger Funktionen. Wie Denken, Orientieren, Sprechen, Verstehen und Beurteilen. Störungen der emotionalen Kontrolle führen zu Persönlichkeitsveränderungen, die mit Aggression, Depression, Angst und Unruhe einhergehen können. Am Ende ist bei allen Formen eine selbstständige Bewältigung des Alltags nicht mehr möglich. Der Mensch und sein Ich verschwinden immer mehr.

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin haben gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung ein Versorgungskonzept entwickelt, das die Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen stabilisieren, verbessern und sicherer gestalten soll.

Projekt PYRAMID

Heute erhältliche Wearables bedienen vornehmlich die Bereiche Consumer und Lifestyle. Die echten Chancen liegen jedoch im medizinischen Bereich. Connected Healthcare ist das Stichwort: Wearables, die in der Lage sind, physiologisch relevante Daten zu messen und via drahtloser Kommunikation zu übermitteln. Und genau das ist das Projekt PYRAMID.

Ein modular erweiterbares Messsystem in Form eines Armbands misst die Gesundheits- und Pflegedaten des Demenzpatienten mit unauffälligen, kaum wahrnehmbaren Sensoren. Auf Basis der erhobenen Daten wird eine individuelle Therapie- und Betreuungsmöglichkeit für den Erkrankten vorgeschlagen und umgesetzt. So können Verschlechterungen im Verlauf rechtzeitig erkannt und den an der Betreuung und Behandlung Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise wird eine frühzeitige Optimierung der Therapie und Betreuung möglich, um Betroffene möglichst lange in gewohntem Umfeld in das alltägliche Leben einzubinden.

Das Wearable misst Vitalparameter wie Herzfrequenz, Körpertemperatur und Hautwiderstand. Erfasst werden auch externe Parameter wie Außentemperatur, Helligkeit und Lautstärke sowie Bewegungsmuster des Patienten. Von den Angehörigen ausgefüllte Fragebögen werden erfasst, ausgewertet und in die Diagnose einbezogen. Sämtliche Daten werden an alle am Pflegeprozess Beteiligten über eine App zur Verfügung gestellt.

Gute Akzeptanz

Erste Tests mit Erkrankten wurden bereits abgeschlossen und sehr gut angenommen. Weitere finden noch in diesem Jahr statt. Im Pflege- und Behandlungsprozess anfallende Informationen, Messwerte und Ergebnisse können ausreichend strukturiert werden, um notwendige Informationen zum richtigen Zeitpunkt vorliegen zu haben.

Das Messsystem ist komplett in ein Armband integriert, in welchem sämtliche Sensoren sowie die Elektronik unauffällig untergebracht sind. Ein Microcontroller erfasst die Daten; ein Bluetoothmodul, ein Akku, eine USB-Schnittstelle sowie eine NFC-Antenne komplettieren das System.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,4 Mio. Euro gefördert und läuft noch bis März 2019.

Mein Fazit

Alle drei Sekunden erkrankt auf der Welt ein Mensch an Demenz. Etwa 50 Prozent der an Demenz erkrankten Menschen haben das Gefühl, nicht in das alltägliche Leben eingebunden zu werden. Sie fühlen sich isoliert. Die Betreuung und Behandlung von Demenzkranken stellt sowohl Angehörige und Betreuer als auch das medizinisch-pflegerische Personal vor große Herausforderungen.

Ziel dieses Projekts ist es, Betroffene von der Verdachtsdiagnose bis zur klinischen Versorgung über Jahre hinweg diskret zu begleiten. Und ihnen so die Chance zu geben, möglichst lange in der vertrauten Umgebung selbstbestimmt zu leben. Die Antwort auf meine eingangs gestellte Frage lautet also ganz klar: JA, es kann.


P.S. Das Thema Demenz haben wir auf unserem Blog übrigens bereits vielfältig aufgegriffen. Weitere spannende Projekte und super Initiativen rund um das Thema Demenz gibt es unter diesem Link: HealthcareHeidi

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Welt-Alzheimer Bericht 2015

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Demenz: Bauernhof statt Pflegeheim?

Bauernhöfe als Orte für Menschen mit Demenz? Als ich den Artikel in der Ärztezeitung gelesen habe dachte ich: „Klingt spannend, aber wie kann das funktionieren?“. Denken Sie vielleicht jetzt auch, deshalb will ich Ihnen hier gerne mehr dazu berichten.

Kooperationsprojekt Bauernhof

Die Landwirtschaftskammer und die Alzheimergesellschaft Schleswig-Holstein haben dieses besondere Pflegeprojekt ins Leben gerufen, in welchem Bauernhöfe spezielle Angebote für Demenz-Kranke bieten. Dabei steht es den Höfen frei, was sie anbieten möchten.

Auf dem Hof Petersburg z. B., wird gemütliches Kaffeetrinken im Kaminzimmer oder der Stube angeboten. Außerdem Spaziergänge über den Hof, Füttern der Tiere, Suchen von Eiern im Hühnerstall, Ernten von Früchten, Gemüse und Blumen oder einfach nur Ausruhen im Bauerngarten. Geschulte Ehrenamtliche und qualifizierte Fachkräfte begleiten die Menschen mit Demenz.

Auf dem Alpakaerlebnis Bauernhof von Sandra Hümpel kann man Spaziergänge mit den Alpakas unternehmen, mit Materialien vom Hof, wie Stroh, Wolle und Federn, basteln, das geerntete Obst weiterverarbeiten oder auch im traditionellen Butterfass Butter herstellen.

Sechs Höfe haben sich dem Projekt bereits angeschlossen. Bei allen werden die an Demenz erkrankten Menschen durch geschulte Ehrenamtliche und qualifizierte Fachkräfte begleitet. Angehörige wissen ihr Familienmitglied so in guten Händen. Sie können die Zeit für sich nutzen und erfahren Entlastung im Alltag.

Interessierte Landwirte, die sich dem Projekt anschließen möchten, sind jederzeit willkommen. Denkbar ist vieles. Tagesbetreuung, Wohngemeinschaft, Kurzzeitpflege. Das Kompetenzzentrum Demenz hilft, passende Konzepte zu entwickeln und unterstützt bei der Umsetzung vor Ort.

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Der Bauernhof als Ort der Erinnerung

Bauernhöfe sind ideal, um Menschen mit Demenz emotional zu berühren. Viele von ihnen, gerade in ländlichen Regionen, sind auf einem Bauernhof aufgewachsen oder haben auf einem Hof gearbeitet. Tiere sind tolle, geduldige Partner. Das Beobachten, Streicheln und Füttern knüpft an Bekanntes an, schafft Nähe. Gemeinsame Spaziergänge, Blumen pflücken oder einfach nur die Natur beobachten weckt Erinnerungen.

Auf der Berliner Pflegekonferenz im November 2017 wurde das Projekt nun auch, wie ich finde zu recht, mit dem Marie Simon Pflegepreis ausgezeichnet.

Die Angebote der am Projekt angeschlossenen Höfe finden Interessierte auf der Homepage des Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein

Mein Fazit

Da immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, nimmt zwangsläufig auch die Zahl der Betroffenen zu. Medikamente können im frühen Stadium das Fortschreiten der Erkrankung verzögern. Heilung gibt es nicht. Alles richtet sich an den Bedürfnissen der Betroffenen aus, die Erkrankung steht im Mittelpunkt. Pflegende Angehörige kommen im Laufe der Erkrankung sehr schnell an ihre physischen und psychischen Grenzen.

Das Kooperationsprojekt in Schleswig-Holstein ist eine tolle Sache und bietet Entlastung für alle. Auch, wenn es noch in den Kinderschuhen steckt und aktuell auf wenige Höfe in Schleswig-Holstein beschränkt ist. Aber es ist ein Anfang und, wie ich finde, ein hervorragender dazu. Für die Betroffenen, denen so ein Stückchen Erinnerung und Lebensfreude gegeben wird, wie auch die pflegenden Angehörigen, die ein paar Stunden durchatmen können.

 

P. S. Auch für pflegende Angehörige und Pflegekräfte gibt es spezielle Unterstützung. Die Marte Meo Methode. Über dieses Projekt habe ich auf HealthcareHeidi vor kurzem berichtet. Es tut sich was, in der würdigen Versorgung Demenzkranker. Das finde ich phantastisch.

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Sturzprävention per App

Rund 17 Mio. Menschen in Deutschland sind älter als 65. Über 30 Prozent davon stürzen mindestens ein Mal im Jahr, bei den über 80-Jährigen sogar jeder zweite. In 11.702 Fällen enden die Stürze zudem tödlich. Dagegen will das Berliner Startup Lindera mit der SturzApp etwas unternehmen.

Ein folgenschwerer Sturz, wenn er im häuslichen Umfeld passiert, ist in erster Linie für die Betroffenen und deren Angehörige ein dramatisches Ereignis. Sturzprävention ist aber auch für Fachkräfte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ein höchst relevantes Thema. Und nicht zuletzt haben natürlich auch Krankenkassen an der Prävention von Stürzen ein sehr hohes Interesse, da Stürze jährlich Behandlungskosten in Höhe von rund 2 Mrd. Euro verursachen. Da aufgrund der demografischen Entwicklung Deutschland mehr und mehr zu einem „Land der Alten“ wird, ist davon auszugehen, dass sowohl die Zahl der Stürze als auch die Behandlungskosten künftig weiter steigen werden.

Diesem Trend möchte ein junges Start-Up aus Berlin entgegenwirken. Lindera hat in Zusammenarbeit mit der Berliner Charité eine App zur Sturzprävention entwickelt.

Icon Sturzanalyse
© Lindera GmbH

Die SturzApp ist ein Mobilitätstest, der wie folgt funktioniert: Mithilfe einer weiteren Person muss zunächst ein kurzes Video aufgenommen werden, das den Nutzer beim Aufstehen von einem Stuhl sowie beim Laufen zeigt. Im Anschluss muss noch ein Fragebogen zur Wohnsituation, der aktuellen Medikation, zur Persönlichkeit und Wahrnehmung ausgefüllt werden. Anhand dieser Daten errechnet ein Algorithmus das jeweilige Sturzrisiko. Und die App schlägt dem Nutzer individuell auf sein Risikoprofil angepasste Maßnahmen zur Sturzprävention vor. Das können zum Beispiel das Anbringen von Haltegriffen und bewegungsgesteuerter Beleuchtung in der Wohnung sein, genauso wie Übungen, die helfen sollen, Stürze besser auffangen zu können. Außerdem ist es möglich, das Ergebnis des Mobilitätstests direkt mit dem Arzt oder der Pflegkraft zu teilen.

 

Wie einfach der Mobilitätstest durchzuführen ist, zeigt dieses Video:

Die SturzApp war bereits bei der AOK Nordost im Einsatz, wo sie erfolgreich im (Pflege-)Alltag erprobt und weiterentwickelt wurde. Auch für weitere Pilotprojekte sei man offen, so Lindera Gründerin und CEO Diana Heinrichs. Man wolle sich schließlich in Deutschland auf dem Healthcaremarkt etablieren. Ihr Motto dabei:

Prävention heißt vom Stuhl aufstehen und loslaufen – so wie es die Geriatrie seit Jahrzehnten erprobt hat.“, so Diana Heinrichs, Gründerin und CEO von Lindera.

Mein Fazit:

Zwar steht die SturzApp noch am Anfang, dennoch verspricht sie schon jetzt zahlreiche Vorteile sowohl für Patienten, Ärzte und Pfleger als auch für die Krankenkassen. Im besten Fall senkt sie nicht nur das Sturzrisiko, sondern auch den Pflegeaufwand und folgend auch die Behandlungskosten. Wie wirksam die App tatsächlich ist, wird sich in Studien zeigen. Falls sie hält, was sie verspricht, ist dem Lindera Team der Erfolg sicher. Wir drücken auf alle Fälle die Daumen.

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