Interaktive Brille gegen Schwachsichtigkeit
Erinnert ihr euch auch noch an die Kinder, die eine Brille tragen mussten, auf der ein Brillenglas mit einem Pflaster abgedeckt war? Das sah ziemlich uncool aus. Oft wurden die Kinder deswegen auch auf dem Schulhof gehänselt. Künftig könnte eine interaktive Brille das Pflaster ersetzen.
Die funktionale Sehschwäche eines Auges ist eine häufige Ursache für Sehbehinderungen bei Kindern. Üblicherweise wird die Schwachsichtigkeit durch Abdecken des besseren Auges mit einem verdunkelnden Pflaster therapiert. Das geschädigte Auge wird auf diese Weise trainiert, das Gehirn nimmt dessen Signale an.
Nachteile dieser auch als Okklusionstherapie bezeichneten Methode sind das eingeschränkte räumliche Sehen und die Stigmatisierung durch das Pflaster. Häufig lehnen Kinder ein solches Pflaster ab und tragen es nicht. So verfehlt die Therapie natürlich ihr Ziel, denn der Erfolg der Behandlung hängt von der Okklusions-Tragezeit ab.
Das Projekt InsisT testet eine interaktive Brille
Im Rahmen des Projekt InsisT wollen die Projektpartner die Behandlung kleiner Kinder entscheidend vorantreiben. Auch die Therapieadhärenz soll die interaktive, kontextsensitive Shutterbrille mit sensorischem Feedback verbessern. Mit der neuen Technologie lässt sich die Abdeckung des Auges situationsbedingt steuern, bei bewegungsintensiven Aktivitäten kann sie ausgesetzt werden, um Unfälle aufgrund eines fehlenden räumlichen Sehvermögens zu vermeiden.
Zu den Projektpartnern gehören die Augenklinik Sulzbach, die BEO MedConsulting Berlin GmbH, das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT, St. Ingbert sowie die Novidion GmbH, Köln (Koordinator). Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF.
Was ist eigentlich eine Shutterbrille?

Jeder, der sich schon mal einen 3D-Film angesehen hat, hatte vermutlich schon mal so eine Brille auf der Nase. Shutterbrillen sind spezielle Brillen, bei denen die Gläser aus zwei Flüssigkristallflächen bestehen (je eine für das linke und rechte Auge), die elektronisch zwischen durchlässig und undurchlässig umgeschaltet werden können. Damit lässt sich wahlweise das linke oder das rechte Auge abdunkeln.
Und dasselbe Prinzip macht sich auch die interaktive Brille zunutze.
Wie funktioniert diese interaktive Brille genau?
Die Verdunkelung der LCD-Gläser erfolgt elektronisch – der Verdunkelungseffekt entsteht durch das Ein- und Ausschalten der integrierten Flüssigkristalle. Der Takt der Okklusion lässt sich steuern und individuell anpassen – ein Vorteil gegenüber der bisherigen Therapie mit dem Okklusionspflaster.
Für die Steuerung der Brille sorgt eine multimodale Sensorik, die sich in den Brillenbügeln befindet:
- Hautkontaktsensoren prüfen den korrekten Sitz des Systems und geben den Nutzern ein kindgerechtes Feedback. Das soll die Akzeptanz der Therapie erhöhen. Die Beteiligten erhoffen sich so, die kleinen Patienten zum permanenten Tragen der Brille zu motivieren.
- Ein Beschleunigungssensor erkennt Bewegungsmuster. Er unterscheidet dabei verschiedene Aktivitäten wie stehen, liegen, sitzen, gehen, laufen, springen, Fahrradfahren und Treppe steigen. Bei bewegungsintensiven Aktivitäten wie beim Sport schaltet sich die Ansteuerung der LCD-Gläser automatisch ab. Dadurch ist die Verdunkelung deaktiviert und das volle räumliche Sehvermögen gewährleistet. Das dient der Sicherheit und soll Unfälle vermeiden.
Die Sensoren überwachsen also der Tragezustand, die Trageposition, die Tragedauer und die Okklusionszeiten der LCD-Brillengläser. Die Brille überträgt dabei die Daten in Echtzeit per Bluetooth auf eine Smartphone-App und anschließend in eine Datenbank. Sämtliche Informationen laufen in einer digitalen Patientenakte zusammen. Diese datenschutzkonforme Webanwendung ist für den behandelnden Augenarzt zugänglich, der den Therapieverlauf kontrollieren, anpassen und optimieren kann. Der Arzt erfährt so, ob und wann die Kinder die Brille tragen. Das ist mit der bisherigen Pflaster-Methode nicht möglich. Ziel dieses Vorgehens ist es einerseits, die Therapie(treue) der Kinder zu überwachen. Andererseits wird so eine möglichst individualisierte Behandlung möglich.
Ein Funktionsmuster der Brillenelektronik präsentieren Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT gerade auf der Medica. Erste Tests mit schwachsichtigen Kindern sind für das zweite Quartal 2019 geplant. Zum Projektende soll eine Validierungsstudie den medizinischen Nutzen belegen.
Mein Fazit
Bis zur Marktreife geht sicherlich noch viel Zeit ins Land. Aber das ist defintiv ein sehr interessanter Ansatz. So macht man Kindern mit Schwachsichtigkeit die Therapie mit Hilfe dieser innovativen Brille schmackhaft. Die Studie muss allerdings erst noch zeigen, ob sie die Akzeptanz dieser Behandlung tatsächlich steigern kann.
Einen weiteren spannenden Beitrag von der Medica 2018 findest du hier.
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Tschakka! Kata bringt Bewegung in den Markt der Gesundheits-Apps
Mit der App Kata befindet sich eine völlig neuartige Gesundheits-App für Patienten mit pneumologischen Krankheiten in der Entwicklung. Mit ihr soll die Therapie von chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD effektiver und die Adhärenz gesteigert werden. Dabei sticht die App in ihrer Programmierung technologisch absolut aus dem Wust an Gesundheits-Apps heraus.
Das Münchener Start-up VisionHealth entwickelt mit Kata eine Gesundheits-App, die den Anspruch hat, die Behandlung von Patienten mit einer chronischen Krankheit um ein Vielfaches effektiver zu machen und die Therapietreue zu steigern. So weit so gut, das wollen ja im Grunde viele Gesundheits-Apps. Aber Kata ist eine echte Innovation!
Hintergrund für den Bedarf der Gesundheits-App Kata
- In den letzten Jahren haben fast alle Lungenerkrankungen weiter zugenommen. Die Entwicklung ist bei der COPD (eine Kranheit mit chronisch engen Atemwegen, auch chronische Bronchitis genannt) dabei besonders dramatisch. Experten gehen davon aus, dass von den über 40-Jährigen in Deutschland etwa zehn bis zwölf Prozent von COPD betroffen sind. Tendenz steigend! Man schätzt, dass die Erkrankung bis zum Jahr 2020 weltweit den dritten Platz unter den häufigsten zum Tode führenden Krankheiten einnehmen wird.
- Bei der medikamentösen Behandlung von COPD ist es entscheidend, dass die Wirkstoffe auch genau da ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich in den verengten Atemwegen. Daher werden in der Therapie dieser Erkrankung die Wirkstoffe bevorzugt mit Hilfe von Inhalatoren eingeatmet. Doch was so einfach klingt, erweist sich in der Praxis als eklatantes Problem. Es gibt nämlich viele verschiedene Geräte zum Inhalieren, die sich in ihrer Handhabung teils erheblich unterscheiden. Patienten müssen für jedes Gerät individuell und aufwändig geschult werden. Aber auch dann ist die korrekte Anwendung durch den Patienten nicht immer gewährleistet. Im Alltag treten einer Studie zufolge Anwendungsfehler bei bis zu 50 Prozent der Patienten auf – und das unabhängig vom Inhalationssystem. Und genau dafür bietet Kata künftig eine absolut innovative Lösung.

Was ist das Besondere an Kata?
Kata ist die erste Lösung, die Menschen mit einer chronischen Lungenerkrankung wie COPD oder auch Asthma ein kontinuierliches App-basierten Inhalationstraining bietet. Die App leitet den Nutzer an, misst die aufgenommene Menge des Wirkstoffs, erinnert an Anwendungen, analysiert den Gebrauch und gibt Rückmeldung, um Inhalationstechnik und Adhärenz zu verbessern.


Das Besondere an Kata ist, dass diese App in technologischer Hinsicht etwas ermöglicht, das derzeit keine andere Gesundheits-App bietet.
Mithilfe von Augmented Reality (AR), einer visuell erweiterten Realität, soll dem Nutzer ein Feedback zur korrekten Handhabung beim Inhalieren gegeben werden, indem das eigene Kamerabild durch virtuelle Elemente ergänzt wird. Sie werden in die tatsächliche Welt des Anwenders projiziert, was es der App ermöglicht, konkrete und auf den Nutzer angepasste Hinweise zur Optimierung des Inhalationsvorgangs zu geben.
Dank künstlicher Intelligenz (KI bzw. AI für Artrifical Intelligence) kann das Verhalten der App-Nutzer interpretiert werden, ohne dass ein medizinischer Experte dabei vor Ort oder per Ferndiagnose unterstützen muss.
Neben der Technik des Maschinenlernen (Machine Learning), wodurch die App mit Hilfe von Algorithmen Muster im Inhalationsverhalten der App-Nutzer erkennen und interpretieren kann, beherrscht Kata auch maschinelles Sehen (Computer Vision). Dies ermöglicht Objekterkennung (z. B. für Inhalatoren) sowie Wahrnehmung und Interpretation von Bewegungen (z. B. für das Schütteln des Inhalators). Dies und viele weitere Parameter werden von Kata erfasst und fließen in verschiedene Funktionen der App ein.
Inhalationstraining und Adhärenz-Management
Als erstes wird der Inhalationstrainier für sogenannte Dosieraerosole entwickelt. Über die Zeit werden dann immer mehr Trainings für weitere Geräte in der App verfügbar sein.
Zusätzlich steht neben einer ganzen Sammlung an Informationen rund ums Thema Inhalationstherapie und einem Schulungsvorgang zur korrekten Inhalation auch ein Inhalations-Tagebuch zur Verfügung. Darin werden durch aktuelle Werte und Statistiken über mehrere Tage bzw. Wochen wertvolle Verlaufsinformationen festgehalten. Wenn gewünscht, können die eigenen Werte mit Angehörigen geteilt werden. Oder man nutzt die Erinnerungsfunktion, damit zum Beispiel auf dem Weg in den Urlaub das Notfallspray nicht vergessen wird.
Langfristig wird Kata sogar in der Lage sein, die Anzeichen von Exazerbationen zu erkennen. Das ist klinisch höchst relevant, da eine Exazerbation (eine akute massive Verschlechterung) häufig eine stationäre Behandlung erforderlich macht, für den weiteren Krankheitsverlauf sehr ungünstig und u. U. sogar lebensbedrohlich ist. Durch eine frühzeitige Intervention kann das Risiko für Exazerbationen reduziert werden.
Wann wird es Kata im App-Store geben?
Ende Juli wird in Zusammenarbeit mit einer Patientenorganisation dazu der aktuelle Prototyp durch bis zu 10 Patienten getestet. Danach wird die App weiter optimiert. Die VisionHealth GmbH plant, Kata noch in diesem Jahr zu veröffentlichen.
Kleiner Exkurs – was bedeutet Kata eigentlich?
Kata bezeichnet in der Programmierung eine kleine, abgeschlossene Übung. Der Name rührt aus den japanischen Kampfkünsten und betont die Bedeutung von Praxis und häufiger Wiederholung für das Lernen. Eine Kata hat nicht nur eine Lösung des gestellten Problems, sondern soll auf verschiedene Arten und mit unterschiedlichen Techniken implementiert werden. Somit vereinheitlicht die App Kata das Thema Programmierung mit Therapie und Schulung als App-Lösung mit integrativen Lösungsansätzen, sie wird also eine persönliche Therapie-Assistentin für Patienten sein.
Mein Fazit
Diese App ist für mich ein absoluter Vorreiter in Sachen Gesundheits-Apps. Durch die Kombination der beschriebenen technologischen Funktionen, trifft Kata nicht nur zu 100 Prozent den Zeitgeist des Gesundheitsmarktes sondern auch den der App-Entwicklung generell.
Aber was für Ärzte und Patienten das Wichtigste ist:
Kata hat das Potenzial, die Effektivität der Behandlung chronischer Krankheiten wie Asthma und COPD zu steigern. Denn auch der beste Wirkstoff kann nicht wirken, wenn das Inhalationsgerät nicht richtig angewendet wird. Wenn Kata dann auch noch eine Art „Frühwarnsystem“ für Exazerbationen, die lebensbedrohlich sein können und den weiteren Verlauf der Erkrankung maßgeblich mitbestimmen, beinhaltet, wäre das ein echter Gewinn für alle Beteiligten.
Mehr über Kata.
Kata ist übrigens nicht zu verwechseln mit Kaia, eine App die zwar auch KI beeinhaltet aber gegen Rückenschmerzen eingesetzt wird, und über die wir auch schon berichtet haben.
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